Luise


Sick-Sinus-Syndrom

Seit ihrer Kindheit erlitt Luise in unregelmäßigen Abständen Anfälle, bei denen sie ohnmächtig wurde und ihr Körper krampfte. Im Alter von 6 Jahren erhielt sie die Diagnose „Epilepsie“.

Im Jahr 2011, mit 23 Jahren, wollte ihr Neurologe der Ursache der Anfälle erneut nachgehen. Luise erinnert sich, dass er beiläufig erwähnte: „Vielleicht hat es ja auch etwas mit dem Herzen zu tun.“ Im Krankenhaus erlitt sie erneut einen Anfall, der es den Ärzten ermöglichte, durch ein EKG und EEG festzustellen, dass nicht das Gehirn, sondern tatsächlich das Herz die Ursache der Anfälle war.

Lapidar wurde ihr mitgeteilt: „Wir verlegen Sie jetzt auf die kardiologische Station. Es kann sein, dass Sie einen Herzschrittmacher bekommen!“ Aufgrund einer weiteren Ohnmacht auf der Station erklärte man ihr im Eiltempo, dass sie am „Sick-Sinus-Syndrom“ leide, einer Herzrhythmusstörung, bei der der Sinusknoten, der Taktgeber des Herzens, aussetzt.

„Ich habe geweint, fühlte mich überrollt. Ich hatte keine Zeit für Entscheidungen und habe den Ärzten vertraut,“ erzählt Luise. So wurde ihr operativ ein Herzschrittmacher implantiert. Erst danach begann sie zu verarbeiten, was geschehen war. „Es hat mich umgehauen,“ gibt sie zu.

Jahrelang hatte sie starke Antiepileptika genommen, deren Nebenwirkungen sie schwer belasteten. Sie litt unter anderem unter Gewichtsverlust, Hautproblemen und verzichtete auf den Führerschein, weil das Risiko, einen Anfall während der Autofahrt zu erhalten, zu groß war. Die Krankheit schien für sie unberechenbar. Doch es war eine Fehldiagnose. Seit Luise den Herzschrittmacher erhalten hatte, ist sie nie wieder ohnmächtig geworden.

Die Narbe, die sie mit 23 Jahren bekam, war sehr offensichtlich und untypisch für ihr Alter. Lange Zeit versteckte sie diese unter einem Tuch und auch heute noch versucht sie, Kleidung zu wählen, unter der ihre Narbe versteckt bleibt.

Auch wenn sie mittlerweile akzeptiert hat, dass die Narbe ein Teil von ihr ist und immer bleiben wird, möchte sie nicht mit jedem darüber sprechen - vielleicht um nicht ständig an das Erlebte erinnert zu werden oder ihre Geschichte erklären zu müssen.

Obwohl Luise im Alltag nicht stark eingeschränkt ist, muss sie auf manche Sportarten verzichten und manchmal mit zusätzlichen Arztterminen rechnen. Beispielsweise muss der Herzschrittmacher „umprogrammiert“ werden, bevor sie ein MRT machen lässt.

„Ich bin chronisch krank, obwohl ich so viel Energie verspüre…“ Luises Narbe erinnert sie daran und zeigt ihr, dass sie als junger Mensch sehr verletzlicher war. Gleichzeitig bestärkt sie sie darin, dass Verletzlichkeit nichts Schlechtes ist – denn hinter dieser verbirgt sich der Herzschrittmacher, der Taktgeber ihres Lebens.

Einmal im Jahr wird der Herzschrittmacher kontrolliert, oberflächlich und nicht invasiv. Dabei wird der Akkustand geprüft und festgestellt, wie oft er ihr Herz im vergangenen Jahr unterstützen musste. Für Luise ist ihr Herzschrittmacher ein Helfer, der arbeitet, wenn er gebraucht wird. Im November 2022 wurde er neu implantiert, was alle 10-12 Jahre notwendig ist. Die Narbe wird so immer wieder erneuert und tut anfangs wieder weh. „Nach der erneuten OP muss ich mich auch wieder an sie gewöhnen. Sie sticht wieder mehr hervor, juckt ab und zu – sie zeigt wieder, dass sie da ist.“

Wenn Luise sich gestresst fühlt und ihre Narbe berührt, beruhigt sie das. Denn am Ende brachte diese Narbe eine Veränderung in ihr Leben, die sie als positiv ansieht. Die Unterstützung von Familie und Freunden gab ihr Sicherheit. Mit der Falschdiagnose „Epilepsie“ zu leben, bedeutete aber auch Unsicherheit, Angst vor Krämpfen in gefährlichen Situationen und ein Verzicht von Unbeschwertheit und Leichtigkeit in ihrer Jugend.  Mit dem Einsatz des Herzschrittmachers hat Luise diese Sicherheit und das Vertrauen in ihren Körper zurückbekommen, auch wenn die Erinnerungen und die Angst der damaligen Ohnmachtsanfälle sich wohl nie ganz auflösen werden.

„Wenn ich mich gestresst fühle und meine Narbe berühre, beruhigt mich das. Denn sie zeigt mir, dass die Veränderung in meinem Leben positiv ist.“




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