Sepideh


Kindlicher Darmverschluss

Ihr Bauch schmerzte und war bretthart, als Sepideh mit circa dreieinhalb Jahren mit ihrer Familie in der Notaufnahme eintraf und die Ärzte ihre erste Einschätzung äußerten: „Da kann man nichts mehr machen.“

Mit vier Jahren erlitt Sepideh eines Tages einen kindlichen Darmverschluss. Sie brauch ganz plötzlich unter Schmerzen zusammen und wurde von ihrer Familie im Iran ins Krankenhaus gebracht. Sie war fast schwarz und die Ärzte hatten die Hoffnung sie zu retten fast aufgegeben. Es folgte eine Not-Operation, bei der 10 cm ihres Darms entfernt wurden. Dabei wurde der Blinddarm direkt mit entnommen. „Früher war das wohl so“ erzählt Sepideh. „Wenn der Bauchraum einmal operativ geöffnet wurde, wurde der Blinddarm, der mit zunehmendem Alter häufig erkrankt, prophylaktisch mit entfernt.“ Sepideh überlebt.

Heute hat sie keine eigenen Erinnerungen an diese Zeit. Alles was sie weiß, weiß sie von Bildern oder aus den wenigen Erzählungen, die sie über das Erlebte heraus bekommen konnte. „Es ist ja schon vorbei“, sagten ihre Eltern meist, weil ihr Schmerz zu groß und die Aussagen, von den Ärzten in der Notaufnahme, zu grausam waren. Doch für Sepideh reichten die wenigen Informationen nicht aus. Ein Teil ihrer Geschichte schien nicht akzeptiert zu werde. Ein Teil von ihr wird bis heute verschwiegen. Zu viele Fragen blieben lange Zeit unbeantwortet und sie fühlte sich, als würde ein wichtiger Bestandteil ihrer Geschichte verdrängt werden.

Mit 20 Jahren zog Sepideh von Zuhause aus und begann eine Ausbildung als Heilpraktikerin. Im Rahmen dieser begriff sie, dass jedes Trauma, jede Erinnerung im eigenen Körper gespeichert ist. An irgendeiner Stelle ist Geschehenes versteckt, taucht auf und sucht Heilung. Ihre Familie war immer vorsichtig mit ihr, doch sie hat verdrängt, während Sepideh durch Schmerzen immerzu an das Geschehene erinnert wurde. „Bei jedem Wachstum, in der Schwangerschaft… es hat innerlich gezogen, es hat geschmerzt…“

Sepideh hatte das verlangen noch einmal genau hinzuschauen und sich mit sich selbst und ihrer Vergangenheit zu verbinden.

„Ich wollte einfach mehr über den Teil erfahren, der nicht so richtig zu mir gehört. Es ist wichtig, dass ich mich auch mit diesem auseinandersetze.“

Durch ihre Ausbildung konnte sie in medizinischer Sicht Antworten finden, in Gesprächstherapien bekam sie Raum zu reden. Mit Rosenöl wurde ihre Narbe massiert, eingeölt und berührt, um eine Verbindung zu ihr zu erhalten und sie anzunehmen, denn auch aus ästhetischer Sicht war ihre Narbe immer ein schwieriges Thema. Sie fand diesen Bereich ihres Körpers hässlich und er unterschied sie deutlich zu anderen jungen Frauen.

Vor einigen Monaten entschied Sepideh ihre Narbe für sich zu thematisieren und ihr eigenes Tabu-Thema zu brechen. „Ich möchte mich frei fühlen, mich zeigen und stolz auf mich sein.

Früher war es ihr unangenehm angesprochen zu werden, heute liebt sie „Tabuthemen“ nahezu, denn sie verschaffen Heilung. Denn eigentlich ist es doch so: „Die Narbe hat mich gerettet. Sie ist das Zeichen, dass ich leben darf, schmecken, fühlen und Kinderkriegen kann… und dann kommt die Dankbarkeit.“

„Ich bleibe in diesem Leid, in diesem Schmerz, er wird doch nicht kleiner, wenn ich nicht hineintauche.“




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