Monja


Verbrühung & Hauttransplantation

Monjas Geschichte ist ein Alptraum für alle Eltern. Ein Alptraum jedoch, der viel zu häufig und oft durch wenige Sekunden Unachtsamkeit passiert.

Monja war fast ein halbes Jahr alt, als sie eines Abends im August mit ihren zwei älteren Geschwistern am Esstisch saß. Das Abendessen stand bereit, der Tee war fertiggekocht und ihre Mutter verließ für einen kurzen Moment noch einmal den Raum. „Meine Schwester wollte helfen und öffnete schon einmal die Teekanne“, als Monja mit ihrer rechten Hand nach der Kanne griff und sich den brühheißen Inhalt über ihr Dekolleté und ihre linke Körperhälfte goss. Als ihre Mutter zurück in das Zimmer kehrte und erkannte was geschehen ist, fuhr sie sofort mit ihrer Tochter zum Kinderarzt. Weil jedoch mehr als 30% ihrer Körperoberfläche verbrüht waren, wurde sie mit einem Helikopter ins Krankenhaus geflogen.

Sie bekam eine Hauttransplantation, für die ihr Haut aus gesunden Arealen ihres Körpers, ihrem rechten Arm und ihrem rechten Oberschenkel, entnommen wurden. Weil sie noch so jung war, wurde sie eine Woche ins künstliche Koma versetzt. „Das war notwendig, um all die wiederholt schmerzhaften Maßnahmen, wie Verbandwechsel und das Abtragen abgestorbener Haut hygienisch durchführen zu können“ weiß Monja aus Erzählungen. Denn die Transplantation gelingt nur, wenn die Wunde infektionsfrei bleibt. Hinzu kam nicht nur eine Lungenentzündung, sondern auch die Folge der regelmäßig hohen Schmerzmedikation, wegen der Monja unter Entzugserscheinungen litt.

„Ich habe glücklicherweise keine Erinnerungen an das was passiert ist.“ sagt Monja dankbar. Alles was sie weiß, weiß sie aus Erzählungen, Krankenhaus- und OP Berichten.

Mit ihren Narben ist sie ganz natürlich aufgewachsen. Erst später begann sie Details zu erfragen, als sie durch Paulinchen e.V., eine Initiative für brandverletzte Kinder, erfuhr, wie schlimm Geschehenes für ihre Eltern und ihre Geschwister sein musste. So wurde sie im Laufe der Jahre neugieriger und erfragte, wie genau das für sie damals eigentlich war.

Die Organisation bekamen Monjas Eltern 1995 im Krankenhaus als Ansprechpartner an die Hand. Zuerst wurde ihnen dort geholfen, Geschehenes zu verarbeiten und mit den Folgen leben zu lernen. Später dann agagierten sie sich selbst ehrenamtlich für den Verein.

2013, als Monja 18 Jahre alt war, fuhr sie erstmals gemeinsam mit ihrer Mutter als Betreuerin auf ein Jugendwochenende und war zugegeben skeptisch, weil sie zuvor nie Kontakt mit anderen Brandverletzten hatte. Doch es tat ihr gut und hatte ihr sogar gefehlt, sich mit anderen Jugendlichen mit ähnlichem Schicksal auszutauschen. Daher absolvierte sie eine Schulung und wurde zwei Jahre später aktiv ehrenamtliches Mitglied bei „Paulinchen“ und arbeitet dort bis heute noch eng mit betroffenen Kindern und ihren Eltern zusammen. „Emotional ist es oft sehr bewegend, doch der Erfahrungsaustausch untereinander ist schön und so hilfreich.“ Das Gefühl helfen zu können tut gut.

Es gab auch Zeiten, in der Monja unter ihren Narben litt. Zeiten, in denen sie das Gefühl hatte im Sommer besonders beäugt zu werden und in denen sie ihre Narben versteckte. Es war ihr schon immer lieber angesprochen und gefragt anstatt angestarrt zu werden. Sie versteht, dass Menschen gucken, wenn irgendjemand „anders“ ist, aber es ist nicht angenehm.

Gehänselt wurde Monja nie und weiß, dass das nicht selbstverständlich ist, denn gerade durch ihre Arbeit mit anderen brandverletzten Kindern und Jugendlichendurch hat sie erfahren, dass es ganz anders laufen kann. Sie versteht deren Gedanken, wenn sie bewusst zum Badeanzug statt zum Bikini greifen und würde sie dann gerne fest in den Arm nehmen, um ihnen zu sagen „ich kenne Deine Gedanken sehr gut, aber es bringt nichts sich zu verstecken.“

Ihre Eltern haben sich, wie die meisten Betroffenen, viele  Vorwürfe gemacht und auch heute sind die Bilder für sie noch präsent. Das was passiert ist sitzt tief und Monja berichtet, dass sie feststellen musste, dass das leider immer der Fall ist. Doch sie betont, dass es sich um Unfälle handelt, die immer und überall passieren können. Manches wäre vermeidbar, aber es ist nicht möglich 24/7 achtsam den Alltag zu gestalten. Irgendwann ist ihr bewusst geworden, dass sie sich selbst niemals die Schuldfrage gestellt hat. „Es würde doch auch nichts ändern“ sagt sie.

Durch die Erlebnisse der anderen Eltern bei „Paulinchen“ die ihre Erfahrungen mit Monja teilen weiß sie, dass Eltern, wenn etwas passiert, intuitiv alles richtig machen. Und auch ihre Eltern waren immer an ihrer Seite. Nicht nur im Krankenhaus, sondern auch Jahre später. Unter Anderem war es ein  Rutual mit ihrer Mutter, abends auf der Couch die Narben einzucremen. Als sie begann ihren Eltern Fragen zu dem Unfall zu stellen, wurden diese ihr offen beantwortet und ihr wurde stets versichert, dass sie unterstützt würde, sollte sie sich einmal dazu entscheiden Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Narben weniger sichtbar zu machen. Ernsthaft darüber nachgedacht hat Monja jedoch nie. Sie weiß wieviel Glück sie aus medizinischer Sicht hatte und dass sie damals in sehr guten ärztlichen Händen war. Sie hat ein gutes, weiches und flaches Narbenbild und hatte nie Bewegungseinschränkungen.

Monja hadert nicht mit ihren Narben, sie hat ihre Narben akzeptiert, sie gehören zu ihr. Ihre Narben sind mehr als 27 Jahre lang mit ihr gemeinsam gewachsen.

. Irgendwann ist ihr bewusst geworden, dass sie sich selbst niemals die Schuldfrage gestellt hat „es würde doch auch nichts ändern“ sagt sie.




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