Sandra


Kaiserschnittnarbe

Sandra ist im September 2020 zum ersten Mal Mutter geworden. Ich treffe sie drei Monate nach der Geburt. Wie viele andere Mütter hatte auch sie eine genaue Vorstellung und Wunsch zu der Art, wie sie ihr Kind zur Welt bringen wollte „Es war immer mein größter Wunsch, dass ich mein Kind auf natürlichem Weg zur Welt bringen kann.“ Doch zum Ende der Schwangerschaft bereiteten die Ärzte sie aufgrund der Größe ihrer Tochter auf einen möglichen Kaiserschnitt vor. Um diesen zu umgehen wurde die Geburt schließlich mit einem Ballonkatheter eingeleitet. 24 Stunden wartete Sandra alleine im Krankenhaus auf den Beginn der Wehen. Als diese nicht kamen, wurde schließlich ein Wehentropf gelegt und ihr Mann durfte dazu kommen. Die Wehen kamen, der Muttermund wurde geöffnet, doch die Kleine lag so ungünstig, dass nach 10 Stunden schließlich doch der Kaiserschnitt gemacht werden musste. „Du denkst in diesem Moment ’ok, ich habe versagt‘, was eigentlich völliger Schwachsinn ist. Aber es fühlt sich so an. Und dann liegst du da und bist so hilflos und kannst einfach nur den Ärzten vertrauen.“ 

Für Sandra war die Geburt ihrer Tochter eine Erfahrung, die tiefe Spuren hinterlassen hat. Zum einen ist da nun die Narbe ihres Kaiserschnittes: eine gerade und saubere Linie. Ein wundervolles Zeichen für neues Leben. Doch der Ablauf der Geburt hat auch innere, viel tiefere Narben hinterlassen.
„Die Leute haben Worte wie ’das ist echt schade‘ oder ‚vielleicht beim nächsten Mal‘ benutzt. Das will man dann nicht hören. Und dann kommen die Gedanken, habe ich wirklich die richtige Entscheidung getroffen? Und habe ich alles gegeben?“ Für Außenstehende sind diese Sorgen oft nicht nachvollziehbar, schließlich hat Sandra doch Glück und ein gesundes Kind zur Welt bekommen. Und dieses Glück ist ihr auch sehr bewusst. Sie strahlt ihre Tochter an und erzählt begeistert von den ersten Wochen zu dritt. Doch kommt das Gespräch auf die Geburt zurück, beginnt die Stimme zu zittern und Tränen fließen.

„Narben zeichnen einen und erzählen immer eine Geschichte. Und nicht jede Geschichte dahinter muss schön sein. Es gibt Narben, da sind Menschen stolz drauf und es gibt Narben, bei denen man weiß, man hätte später auch gut ohne sie leben können. So fühlt es sich an, wenn ich meine Narbe ansehe. Sie ist jetzt da und sie ist ok.“

„Es war sehr komisch für mich die Narbe das erste Mal zu sehen. Ich habe relativ schnell gesagt, das ist jetzt nicht schön aber es ist ein Teil von mir. Es ist schön, dass die Narbe da ist. Weil sonst vielleicht meine Tochter nicht da wäre. Aber sie ist ästhetisch nicht schön. Es dauert wohl noch, bis ich das Ganze richtig verarbeitet habe.“




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